Die andere Seite des Gutes – ohne Glitzerfassade. (Teil II)
Nach Aufzeichnungen der Berliner Stadtgüter aus dem Jahre 1955.
Die Entwicklung des STADTGUTES BRITZ nach dem Zusammenbruch im Jahr 1945 und die Vorgeschichte.
Zum Glück hielt die Decke, so dass das Vieh, das während des Brandes durch das tatkräftige Eingreifen des Oberschweißers Bäk und seiner Leute gerettet wurde, am Abend wieder in den Stall zurückgeführt werden konnte. Mit den Wiederaufbauarbeiten wurde im September begonnen (ausführende Baufirma Marschallek), und kurz vor Einbruch des Winters stand der Bau, der im Gegensatz zu früher anstelle des Pappdaches ein Ziegeldach bekommen hatte. Das Dach wurde wegen der Dachneigung l m höher. Gleichzeitig wurde ein Blitzableiter angelegt. Der Stall selbst wurde lichter und heller gemacht, neue Fenster geschaffen, der ganze Stall geweißt. Im Vorderteil des Stalles wurde eine Abgrenzung durchgeführt, wo die Geräte des Kuhstallpersonals aufbewahrt werden können, eine Waschgelegenheit geschaffen und ein Aufenthaltsraum für das Personal hergerichtet.
Im Winter 1950/51 wurden etwa 10 Notstandsarbeiter beschäftigt. Mit diesen Leuten entfernte man die Hecken am Hofausgang zur Buckower Chaussee.
Zurückblickend muss gesagt werden, dass es zum Teil mit Hilfe des Notstandsprogramms möglich war, den landwirtschaftlichen Zweig zu heben und insonderheit die Stalleinrichtungen zu modernisieren und den neuen Verhältnissen anzupassen.
Einen schönen Erfolg brachte die Grüne Woche 1951, auf der zum erstenmal Jungvieh und Kälber des Gutes Britz ausgestellt und mit dem 1. Preis für Zuchtvieh bedacht wurden. Eberhütten, Schweineställe verschiedener Art (darunter ein Stall mit Ferkelbalkon) sowie ein Kükenstall wurden auf der Ausstellung erworben. Auch im Jahre 1951 wurden Notstandsarbeiten durchgeführt. So wurde einmal der Hühnerstall erweitert, da er sich für Aufzucht der Küken als zu klein erwiesen hatte. Eine Fläche für die Gemüsegärtnerei wurde abgezweigt und mit einem Zaun umstellt. Der Gemüsegarten erhielt eine neue Regenanlage. Auf dem Acker an der Parchimer Allee dicht hinter dem Hof wurden vier neue Koppeln angelegt, die für die Aufzucht des Jungviehes notwendig geworden waren. Um dem Hof bei den Leutehäusern an der Dorfstrasse und an der Parchimer Allee eine feste Grundlage zu geben, sind im Zuge des Notstandsprogramms diese Arbeiten ausgeführt worden. Zu diesem Zweck waren etwa 30 – 35 Notstandsarbeiter eingestellt. Die Ausführung der Arbeiten lag in den Händen der Firma Quade. Weiterhin wurde der Anbau am Kuhstall, das sogenannte Schweizerhaus, ausgebaut und zwei Wohnungen für das Melkerpersonal geschaffen.
Aus Gründen der hygienischen Milchgewinnung erhielt der Kuhstall eine „Westfalia“ Melkanlage. Die Milch wird vornehmlich an Krankenhäuser und Kinderheime abgegeben. Zur Kühlung von Milch und Erhaltung von Blumen und Gemüse ist im Anbau des Brennereigebäudes in Verbindung zum Milchverkaufsraum eine Kühlanlage der Firma Linde eingebaut worden. Der Rindviehbestand erhöhte sich auf 60 Tiere, der der Schweine auf 80. 5 Sauen und ein Eber sind als Zukauf zu buchen.
Verhandlungen mit der Meierei-Zentrale hatten Erfolg, so dass der Milchtransport sich auf 9.500 Ltr. täglich erhöhen konnte.
Die Notatandsarbeiten fanden am 1.4.1952 ihren vorläufigen Abschluss. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden sämtliche Wege in Ordnung gebracht und die Gräben auf dem Gelände an der Buckower Chaussee planiert.
Die Ernte, insbesondere die Getreideernte des vergangenen Jahres war sehr gut. An Roggen wurden 18,90 Ztr. p./vha geerntet, an Hafer 18,00 und an Gemenge 16,20 Ztr., Wintergerste 16,60 Ztr. Sommergerste 14,70 Ztr., Süsslupine mit Gerste 14,70 Ztr. und Kartoffeln 110 Ztr. p./vha.
Aus arbeitswirtschaftlichen und ernährungsphysiologischen Gründen wurde der Futterrübenanbau zugunsten des Maisanbaus stark eingeschränkt. Mais und Sonnenblumen wurden daher zum Silieren angebaut. Dafür war der Ankauf eines Hoco-Gebläse-Häckslers, sowie, der Bau einer Silegrube – Inhalt 210 cbm – unerlässlich.
Im Wirtschaftsjahr 1953/54 wurde von der Firma Claas, Harsewinkel, ein „Super“ Mähdrescher zum Preise vom DM 14.160,70 mit zwei Kaffwagen für die Einbringung der Ernte der beiden Güter Britz und Marienfelde angeschafft. Außerdem wurde ein Milch-Anhänger der Firma Lindner mit ausgebautem Milchtank (Kofferform) und einem Fassungsvermögen von 10.500 l gekauft. Auch hatte der alte, schon vor dem letzten Krieg angeschafften Milchkesselwagens, den wir vom Milchwirtschaftsbetrieb Weissensee übernommen hatten, ausgedient. Leider war es aber aus finanziellen Gründen nicht möglich, einen neuen 6,6 to Lkw zu kaufen, der wirtschaftlich für uns vorteilhafter gewesen wäre, da er eine größere Menge Milch hätte transportieren können. Es musste daher von der Firma Daimler Benz ein gebrauchtes Fahrzeug zum Preise von DM 20.795,34 (mit Reifen) gekauft werden, sodass wir nun täglich von drei Meiereien im Raum Hildesheim-Salzgitter nun ca. 15,000 l Milch holen konnten. Da die Berliner Stadtgüter für die kwh an die Bewag DM -.25 zahlen müssen wie sämtliche anderen städtischen Betriebe und Einrichtungen ebenfalls, wurden in allen Ställen, Werkstätten, sowie für die Hofbeleuchtung die Lampen durch Neon-Leuchtröhren, die bedeutend wirtschaftlicher sind, ersetzt.
Ferner wurden im Milchverkaufsraum und im Melkmaschinenraum je ein Warmwasserspeicher – Inhalt 50 l – zum besseren Reinigen der Milchkannen und der Melkmaschine angeschafft.
Der Schweinebestand wurde auf ca. 150 ~ 160 Stück, darunter 10 Jungsauen, erhöht.
Im Wirtschaftsjahr 1954/55 zeigte sich infolge des sehr nassen Sommers während der Erntezeit die Anschaffung des Mähdreschers als sehr nützlich. Es gelang uns sogar, das Getreide fast ohne große Prozentabzüge an die Mühlen zu verkaufen. Trotz der schlechten Witterung war die Ernte wieder eine sehr gute (18 Ztr. pro vha). Auch die anderen Feldfrüchte standen sehr gut und wurden auch sehr gut eingebracht.
Zu Weihnachten 1954 wurden der a1te Mercedes V 170 sowie sowie der Opel außer Dienst gestellt und dafür als Ersatz ein neuer Ford Kombi FK 1000 angeschafft.
Im Kuhstall wurde für 20 Kühe eine Selbstränkeanlage eingebaut. Der Kuhstall wurde als Bang- und TBC freier Bestand zur Anerkennung angemeldet. Daher mussten auch im Kuhstall noch Trennwände gezogen werden.
Leider mussten wir in diesem Jahre Gelände in einer Größe von 121 vha für die Lehrwerkstatt, Schulneubau, Altersheim, Wohnungsbau und zum Neubau einer Kirche im Zuge der Erweiterung der Groß-Siedlung Berlin-Britz Süd zur Verfügung stellen, sodass wir am 1.7.1955 nur noch eine Betriebsgröße von 617 vha haben.
Seit Juli I960 werden zusätzlich die im britischen Sektor gelegenen Landflächen von Carolinenhöhe in Größe von 1.510 vha von Britz aus mitbewirtschaftet. Diese sind zum größten Teil an Melkereibetriebe des britischen, amerikanischen und französischen Sektors verpachtet. In Carolinenhöhe sind nur beschäftigt:
1 Rechnungsführerin
4 Stammleute
zur Saison ein paar Frauen für die Arbeiten in der dort befindlichen Obstplantage.
Im Wirtschaftsjahr 1954/55 wurde durch das Institut für Kulturtechnik und Grünlandwirtschaft der Fakultät für Landbau in Carolinenhöhe auf dem Schlag C 19 A-D, ca. 10 vha ein Versuchsfeld errichtet. Die Versuche haben den Zweck, die Veränderungen im Boden durch die Verrieselung der verschiedenen Wasserarten festzustellen und welche Wirkungen diese Veränderungen auf die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen haben. Diese Versuche sind im Hinblick auf den beabsichtigten Bau von Klärwerken besonders bedeutsam. яндекс
Durch diese Tatsachen und nicht zuletzt durch die intensive Wirtschaftsweise ist das Stadtgut Britz das Ziel vieler Besichtigungen geworden teils von Behörden und interessierten Betrieben und Vereinigungen und vor allen Dingen von Schülern der neunten Klasse des be-rufsfindenden Jahres. Es wurden durchschnittlich 7 – 8.000 Schulkinder jährlich durch den Betrieb geführt. Es hat sich herausgestellt, dass grade Berliner Stadtkinder diese Besichtigungen von großem Nutzen sind. Auch an den Tagen der „Offenen Tür“ hatte das Stadtgut Britz regen Zuspruch.
Erwähnt sei noch, dass der Betrieb vom Hauptausschuss Beruferziehung- und Berufslenkung als Lehrbetrieb ausgewählt wurde und laufend Lehrlinge ausbildet. Zwei Lehrlinge des Stadtgutes Britz, der Landwirt Joachim R. und Frl. Edith von C. bestanden am 14. 3. 1950 unter dem Vorsitz des Leiters der Prüfungskommission – Herrn Administrator Langenstrass – ihre Lehrabschlussprüfung mit sehr gut und gut. Im Jahre 1950 bestand der landwirtschaftliche Lehrling Klaus M. die Prüfung mit ziemlich gut und Frl. Hildegard V. mit sehr gut. Im Jahre 1951 Landwirtschaftslehrling Klaus H. mit sehr gut. Im Jahre 1953 haben die Lehrlinge Jürgen F. mit gut, Peter K. mit befriedigend und Frl. Helga M. mit sehr gut bestanden.
(Wiedergabe der Namen der Prüflinge in gekürzter Form)
In der Gärtnerei des Stadtgutes Britz ist bisher ein weiblicher Lehrling – Frl. Helga F. – ausgebildet worden, die die Prüfung im Frühjahr 1954 mit gut bestanden hat. Z. Zt. befindet sich ein weiblicher Lehrling – Frl. Erika L. – in der Gärtnerei zur Ausbildung.
Frl. Christa K. hat 1949 ihre Abschlussprüfung als Rechnungsgehilfin mit gut bestanden.
Nebenbei wurden uns auch vom Jugendaufbauwerk Berlin verschiedene junge Leute als Fachhelferpraktikanten zugeschickt, die wir in der Landwirtschaft, Schmiede, Stellmacherei und Autoreparaturwerk statt eingesetzt haben.
Auf dem Betriebe Britz hat sich die Beratungsstelle für Gartenbau- und Landwirtschaft im Jahre 11952 ein Versuchsfeld angelegt. Es werden dort Vergleichsanbauversuche mit den verschiedensten Gemüsearten, sowie Erdbeerarten durchgeführt. Aus diesen sollen die für die Berliner Verhältnisse ertragreichsten Sorten ausgewählt werden. Außerdem werden Schädlingsbekämpfungsmittel hinsichtlich der Eignung geprüft. Diese Arbeiten werden g eichzeitig durch das Pflanzenschutzamt unterstützt. Ferner hat das Kuratorium für Technik in der Landwirtschaft eine Niederlassung in Britz. Es werden hier möglichst alle technischen Neuerungen, die in der Landwirtschaft vorkommen, ausprobiert.
Bei dem Ruckblick auf die bisher geleistete Wiederaufbauarbeit soll vor allem der Belegschaft, insonderheit der alten aktiven Gutsarbeiter gedacht werden, aber auch der seit Jahren schon tätigen Saisonarbeiter und -arbeiterinnen, die ursprünglich aus landfremden Berufen kamen und mit Verständnis und gutem Willen die Umstellung eines völlig darniederliegenden Betriebes zu einer ordnungsgemäßen Wirtschaft möglich gemacht haben. Wir wollen hoffen, dass das Jahr 1955/56 ein recht erfolgreiches Wirtschaftjahr wird. Berlin-Britz, d. 30.6. 1955
Quelle: Heimatbote 4/2009 des Britzer Bürgervereins